Wachstumsbedingte Besonderheiten – Konsequenzen für die psychische Belastbarkeit

Wenn man sich den Wachstumsverlauf von Kindern und Jugendlichen anschaut, dann wird man eine höchst wichtige Feststellung machen: Das Wachstum erfolgt nicht gleichmäßig über die Jahre bis zum Erwachsenenalter. Es erfolgt vielmehr in Schüben. Der größte Schub (= das schnellste Wachstum) erfolgt direkt nach der Geburt mit ca. 22 cm Wachstum im ersten Lebensjahr. Danach nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit rapide ab. Im 4. Lebensjahr legt das Kind dann nur noch ca. 7 cm pro Jahr zu. Ab hier flacht die Kurve ab, sinkt aber noch langsam bis zum Eintritt der Pubertät bei etwa 12 Jahren auf 4 cm pro Jahr. Während der Pubertätsphase dann kommt es zu einem erneuten Schub, bei dem die Wachstumskurve im ca. 15. Lebensjahr auf bis zu 13 oder 14 cm Wachstum pro Jahr hochschnellt. Mit ca. 18 Jahren ist dann bei Mädchen die Wachstumsphase abgeschlossen. Männliche Heranwachsende haben einen etwas späteren Wachstumsabschluss, der erst im 22. Lebensjahr erfolgen kann, was die in der Regel üblichen Größenunterschiede zwischen den Geschlechtern erklärt.

Aber nicht nur das Wachstum erfolgt in nicht geradlinigen Verläufen. Auch die einzelnen Körperregionen zeigen ein unterschiedliches Wachstum in Abhängigkeit vom Lebensalter. Dies findet seinen Ausdruck in den verschiedenen Körperproportionen, die für die verschiedenen Entwicklungsstadien typisch sind. So hat ein Neugeborenes einen überproportional großen Kopf und kurze Extremitäten im Vergleich zu einem Erwachsenen. In Zahlen: Die Kopfhöhe eines Neugeborenen beträgt 25 Prozent seiner Körperlänge. Bei einem Erwachsenen dagegen beträgt die Kopfhöhe nur noch 12 Prozent.

Grund für die unterschiedlichen Proportionen in den verschiedenen Lebensjahren ist das unterschiedliche Wachstum zu verschiedenen Zeitpunkten der verschiedenen Körperregionen. Genauer gesagt reifen Hände und Füße eher als Unterschenkel und Unterarme. Die letzteren wachsen früher als Oberschenkel und Oberarme. Das Reifewachstum erfolgt also bei den Extremitäten von Außen nach Innen.

Das Einsetzen der Pubertät verläuft ebenfalls nicht einheitlich. Es gibt Kinder, bei denen die Pubertät früher als erwartet bzw. später als erwartet einsetzt. Hier versteht man unter einer „normalen Entwicklung“ eine Übereinstimmung von biologischem und kalendarischem Alter. Setzt die Pubertät zu spät ein, dann spricht man von einem Spätentwickler oder einer Retardierung der Entwicklung. Bei einem verfrühten Einsetzen der Pubertät spricht man von einem Frühentwickler oder einer Akzeleration. Aber gleichgültig, ob es sich um eine Akzeleration oder eine Retardierung handelt, es handelt sich in jedem Fall um natürliche Abläufe, die keinerlei Grund zur Sorge oder gar zu einem medizinischen Eingriff sind.

In diesem spezifischen Alter wird damit das körperliche und geistige Leistungsvermögen von zwei Gleichaltrigen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit signifikante Unterschiede aufweisen, denen es gerecht zu werden gilt.